Laufen und Selbstmanagement

Alles was gut tut und mehr

Den ersten 100 Meiler schwer erkämpft – 24h am Seilersee (25.-26.04.2015)

Für ersten 24 Stunden Lauf hatte ich mir den 24-h Lauf am Seilersee ausgesucht, da er top organisiert ist, bei mit um die Ecke ist und da die Strecke für eine Stundenlaufstrecke recht abwechslungsreich, damit aber auch sehr anspruchsvoll, ist.

Die 100 Meilen sollen es (mindestens) werden, das hatte ich lauthals angekündigt. Und das passiert mir als Zweckpessimisten eher selten. Aber als Mantra wurde das ausgesprochene Ziel im Laufe des Rennens noch richtig wichtig.

Aber eins nach dem anderen. Vor dem Start traf ich wie immer viele Laufbekannte, die Teilnehmer an den Ultraläufen sind doch irgendwie immer die selben, und lernte neue bisher nur namentlich oder socialmedia-bekannte Läufer persönlich kennen. Die gemeinsame Streckenbesichtigung und nette Gespräche lenkten von der Vor-Start-Aufregung ab.

Die ersten sechs Stunden auf dieser anspruchsvollen Strecke mit 1788m Länge und 22 Höhenmetern pro Runde (klingt wenig – das Nachrechnen lohnt sich aber) verlief unaufgeregt. Der Anstieg, an dem die meisten Höhenmeter zusammenkamen, war auch noch recht flach und gut laufbar. Mein Tempo war bewusst langsam gewählt, aber nicht so langsam, dass ich ein schlechtes Laufgefühl hatte. Parallel liefen noch die 6-Stunden Starter. Das erste Viertel wurde mit 55 km quittiert, weiter als geplant, aber nicht völlig aus dem Ruder. Beine und Psyche waren super drauf.

Um 18 Uhr wurden die 6 durch die 12-Stunden Läufer ersetzt. Neu im Rennen war auch mein Lauffreund Thomas, mit dem ich mehrmals in der Woche die Straßen und Trails unsicher mache. Wir sollten die nächsten 12 Stunden mehr oder weniger komplett zusammen laufen. Weniger deshalb, da ich eine kürzer Standzeit bei der Verpflegung (alle zwei Runden) bevorzuge und Thomas mit 6 Stunden weniger in den Beinen gut wieder aufschließen konnte. Nur einmal liefen wir etwas länger getrennt, da sich Thomas um einen schwer gestürzten Mitläufer kümmerte. Da sich das in meinem Rücken abspielte und ich es nicht mitbekommen hatte, dachte ich schon Thomas verpasst zu haben.

In diesen zwölf Stunden passierte einiges – meine erste Krise um die 70 Kilometermarke konnte ich diesmal gut verarbeiten, weil ich sie schon mehrfach erlebt habe. Außerdem wurde es dunkel und die Strecke leerte sich mehr und mehr, da eine Schlafpause im Zelt nicht unüblich ist. Der linke Schienbeinmuskel begann, wie zuletzt beim Röntgenlauf, immer wieder kurz zu krampfen (und zwar immer auf aufgeflasterten Bergabstücken). Irgendwann nach Mitternacht kam noch ein leichtes Ziehen auf der Innenseite des linken Knies hinzu, das ich aber (noch) ignorierte.

Je tiefer die Nacht war, desto stärker merkte ich die Müdigkeit in der Gehpassage am inzwischen steilen Berg – solange ich lief, ging es. Von Thomas vielen guten Tipps ignorierte ich alle mit dem Hinweis, dass ich ja 100 Meilen schaffen wolle, ließ mich aber zum Glück irgendwann davon überzeugen, dass jetzt Cola oder Kaffee das Getränk der (Morgen-)Stunde sei. Und so schaffte ich es doch noch Thomas durch das Morgengrauen (das Wort hat für mich eine ganz neue Bedeutung bekommen) zu begleiteten.

Nachdem Thomas seinen Lauf nach 86 gemeinsamen Kilometern beendet hatte, blieben noch sechs Stunden – eigentlich. Dass es bei mir nur vier wurden, lag daran, dass der latente Knieschmerz inwischen recht aufdringlich wurde und eine Stunde später das Laufen nicht mehr zuließ. Es fehlten noch sechs Runden (11 Kilometer) bis zu den 100 Meilen. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch 6. in der Gesamtwertung und 2. in meiner Alterklasse.

In drei Stunden (!) ging oder humpelte ich die letzten Kilometer – ich wollte mein Ziel erreichen. Die Knieschmerzen waren inzwischen richtig heftig, deshalb schenkte ich mir auch die letzten 2 Stunden, damit die Genesung des Knies nicht unnötig in die Länge gezogen wird.

Es ist immer wieder toll zu erleben, wie die Ultraläufer miteinander umgehen und mich auf diesen letzten Runden unterstützt haben. Stellvertretend für alle möchte ich mich bei Frank Müller bedanken, der lange neben mir herging, mir zuhörte und mich mit seinen spannenden Geschichten von den Problemen ablenkte.

 

Die Schmerzen scheinen durch Entzündungen der Sehnenansätze oben und unten an der linken Knieinnenseiten zu kommen. Eine leichte Besserung ist seit Montag auch schon eingetreten. Ich laufe jetzt erst einmal nicht und kann hoffentlich in ein bis zwei Wochen wieder die Laufschuhe schnüren. Das Thema Ursachen und Prophylaxe werde ich aber noch genauer betrachten.

Mein Fazit ist trotz der Verletzung sehr positiv:

  • Das Ziel 100 Meilen wurde unter nicht gerade schönen Umständen erreicht -> ich kann also auch dann weiterkämpfen wenn es richtig weh tut
  • Blasen und aufgescheuerte Stellen merkt man nicht mehr, wenn etwas anderes richtig weh tut 😉
  • Ich habe 2 Stunden vom dem Ende aufgehört -> ich schalte also irgendwann den Kopf ein und riskiere nicht unnötig eine schwerere Verletzung
  • Ich lerne Runden zu laufen, und es fiel mir leichter, als bei meinen beiden bisher absolvierten 6-Stunden Läufen
  • Die Unterstützung in den schwierigen Situationen war beeindruckend -> es gibt ziemlich viele nette Ultraläufer
  • Ich habe gelernt, dass aus flachen Hügeln Berge werden können 😉
  • Ich weiß jetzt, dass mein Traumlauf 2016 absolut realistisch ist

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